Praxis für identitätsorientierte Traumatherapie (IoPT)

Emotionale und somatische Prozesse

Dr. Matthias R. Misch

Erziehungsprobleme

„Mein Sohn passt in der Schule überhaupt nicht mehr auf. Er bekommt ständig Ärger wegen seines unangebrachten Verhaltens. Seine Leistungen sind stark gesunken und ich habe Angst, dass er nicht in die nächste Klasse versetzt wird.“

„Meine Tochter zieht sich nur noch in ihr Zimmer zurück und redet nicht mehr mit mir. Ich kenne sie gar nicht und weiß nicht was in ihr vorgeht. Sie isst auch immer weniger. Ich habe Angst dass sie magersüchtig wird.“

„Mein Sohn ist so aggressiv, wir geraten ständig aneinander und er macht überhaupt nicht mehr, was ich sage. Wenn er sich doch nur anders verhalten würde, ich werde nicht mehr mit ihm fertig.“

Das o.g. ist nur ein Ausschnitt aus verschiedenartigen Erziehungsproblemen. Mit diesen oder ähnlichen Problemen kommen Eltern in die Erziehungsberatung. Manche wünschen sich einen Regelkatalog, was in diesen und jenen Fällen zu tun ist, damit es besser wird. Erziehungsratgeber haben sie schon einige gelesen und auch versucht daraus „Rezepte“ anzuwenden. Wenn es dauerhaft weitergeholfen hätte kämen sie jedoch nicht zur Beratung…

Die Erwartung vieler Menschen ist folgende: Wenn sie in ihrem Leben nicht klarkommen gehen sie zum Arzt oder Apotheker oder Psychologen. Der verschreibt auf alle Fälle ein paar Pillen oder nennt ihnen einige Übungen mit denen alles schnell wieder so geht, wie sie es erwarten, d.h. ihren Vorstellungen entspricht.

So funktioniert es jedoch nicht mit unserer Psyche. Sicherlich können wir vieles Problematisches unserer Seele „herunterschlucken“ oder uns mit vielen anderen Dingen ablenken oder genauer auf die Fehler anderer schauen um das eigene Dilemma nicht fühlen zu müssen… Oder wir verlangen von unseren Kindern: “Reiß dich zusammen; lass dich nicht so hängen; ein Junge weint nicht; ich will dein Jammern nicht hören. Oder sagen: Ich habe jetzt keine Zeit für dich; ich muss dies und jenes tun; ich muss die Welt retten; lass das Kind doch schreien, es hört schon von allein wieder auf etc.“ Die Probleme und Bedürfnisse der Kinder kann man über viele Jahre missachten, Kinder passen sich an – aus Angst. Wenn sie noch klein sind haben sie Angst auch noch das Wenige an Zuwendung zu verlieren, falls sie gegen die „Maßnahmen“ der Eltern rebellieren. Es gibt jedoch auch schon kleine Kinder die rebellieren, das kann dieselben Gründe oder auch andere als Ursache besitzen.

Kinder sind in ihrer körperlichen, emotionalen und geistigen Entwicklung ausschließlich auf das Wohlwollen und die Fürsorge ihrer Eltern angewiesen. Sie haben eine „Urangst vor dem Verlust der Eltern“ und ein „Urbedürfnis nach der Liebe der Eltern“. [1]

Der Fokus des Problems – unsere Sichtweise – dass wir etwas benötigen um unser Kind „in den Griff“ zu bekommen muss sich zunächst erst einmal ändern. Da wir alle mit und an unseren Kindern spätestens von Geburt an fehlerhaft handeln, leiden sie mehr oder weniger an seelischen Verletzungen (lat. Traumata), die ihnen meist unbewusst, ihr eigenes Leben und ihre Beziehungen zu anderen Menschen, vor allem zu ihren Eltern, problematisch oder sogar unerträglich werden lassen.

Die beste Hilfe für unsere Kinder ist, für unsere eigene seelische Gesundheit zu sorgen, unsere eigenen Verletzungen aufzuarbeiten, am besten noch bevor wir Kinder haben. Aber auch wenn wir bereits Kinder haben ist es nicht zu spät, etwas Entscheidendes zu tun. Denn unsere Kinder erleben nicht nur ihre eigenen Verletzungen (Traumata), sondern übernehmen auch unsere Verletzungen emotional, und auch die unserer Vorfahren, die wir in unserer Seele gespeichert haben.

Falls unsere Kinder schon älter sind, ist es ebenso nicht zu spät auf unsere Verletzungen und Haltungen und die daraus folgenden Verhaltensmustern zu schauen. Wir können ihnen immer noch viel an Problematischem, das immer wieder unbewusst von uns selbst neu inszeniert wird ersparen.

Weiterhin benötigen Kinder auch selbst begleitende psychologische Hilfe die es ihnen ermöglicht, die erlebten Verletzungen zu erkennen, aufzuarbeiten, anzunehmen und sich von den übernommenen Verletzungen nach und nach abzugrenzen.

[1]Ruppert, Franz, Symbiose und Autonomie, Stuttgart 2010, S. 73.